Hiroshima bietet beeindruckende und bedrückende Einblicke in die Geschichte des Atombombenabwurfs vom 6. August 1945. Umso mehr war es uns ein besonderes Anliegen, unser Friedenskonzert unter dem Motto “Dona nobis pacem” in der Nähe des Peace Parks zu geben.
Damit nicht zu viel Neid aufkommt
In einem kleinen Frühstücksraum frühstücken wir in zwei Schichten, und wir erleben einmal mehr, wie sehr es hier auf Pünktlichkeit ankommt, denn nach 30 Minuten ist „Schicht“, der Wechsel ist zu vollziehen! Etwas schwierig für unsere willigen Jungs, denn der Toaster arbeitet nicht im Akkord. Aber ist nicht schlimm, denn Zeit wird nicht verbraucht, um den Toast mit Marmelade zu beschmieren: Die gibt es nämlich nicht! Also Buttertoast ist eigentlich auch nicht schlecht …
Aus Zeitmangel findet das Einsingen der Delegation für den Empfang im Rathaus im Foyer des Hotels statt. Dann brechen wir mit den Sängern, die in Tokushima beim offiziellen Empfang nicht dabei waren, auf. Es schließt sich (ähnlich wie in Tokushima) eine bilderbuchmäßige Zeremonie an, die man bei uns nur aus Filmen kennt: Die Sänger werden auf der rechten Seite des Raumes auf einzelne, breite Armsessel verteilt. Die anderen Teilnehmer werden auf die linke Seite des Raumes verwiesen. Dort werden sie namentlich aufgerufen und zu einem Sessel begleitet. Diese Sessel stehen u-förmig und weit auseinander. Die Stirnseite weist zwei Sessel auf. Auf einem sitzt unser Herbert Schur, der andere bleibt frei. Schweigen. Ab und an ein stiller Helfer. Stille. Fotografen. Gespanntes Warten. Blick zur Tür. Nichts. Eine Dame mit einem Tablett mit Geschenken. Nochmal Stille. Und dann … kommt der Bürgermeister der Millionenstadt herein! Er nimmt Platz neben Herbert Schur. Es würde nun zu weit führen, die vielen freundlichen Worte hier wiederzugeben, die immer zweisprachig gehalten wurden. Aber man kann doch sehr beeindruckt sein, wie viel Wertschätzung, und zwar von höchster Stelle, unseren Sängern entgegengebracht wird. Und diese haben sich absolut würdig verhalten. Natürlich haben sie auch ein Ständchen gebracht und dies gut gemeistert, obwohl die Umgebung ja ziemlich einschüchternd war.
Zur Überschrift zurückkommend: Es regnet schon den ganzen Tag, und alle gemeinsam gehen wir nun im Regen durch den Weltfriedenspark. Aber vielleicht passt der Regen ja auch zum heutigen Programm: Hier war das Explosionszentrum der Atombombe. Wir sehen das Skelett des „Atombomben-Doms“, und im Museum wird anschaulich gemacht, wie die Stadt vorher aussah, und welche Folgen der Abwurf der Atombombe für die Stadt und die Menschen hatte. Betreten sehen wir die Überbleibsel dieser alles vernichtenden Sekunden.
Dementsprechend ergreifend ist unsere nächste Station: An der Friedensglocke singen wir „Dona nobis pacem“ und schlagen den Gong für den Frieden, immer, nachdem wir den Namen eines unserer Spender im Rahmen des Crowdfunding-Projektes vorgelesen haben.
Zurück in die Jetztzeit: Wir spazieren durch die Einkaufsstraße zu einem Lokal im ersten Stock, das uns ein typisches Gericht Hiroshimas anbietet: Omelett mit Spaghetti und Kohl (Okonomiyaki). Im Eingangsbereich fasziniert ein Parkhaus, das eine Drehscheibe in der Einfahrt hat, damit die Autos nach Belieben gedreht werden können.
Im Hotel hören wir den Vortrag eines Überlebenden der Katastrophe (Hibakusha). Bewegend die Erzählungen und die Fotos an den Wänden. Allerdings ist die Art des Berichtens auf Japanisch und dann übersetzt ziemlich ermüdend für unsere Jungs. Sehr tapfer haben sie sich angemessen verhalten. Zum Schluss gibt es einen deutlichen Appell an die Regierungen, komplett auf Atomwaffen zu verzichten. In diesem Rahmen erhält dieser Aufruf noch einmal mehr Gewicht.
Nach der Ruhezeit fahren wir – noch immer Regen – in die Kirche und ziehen uns um. Und dann? Dann erleben wir wieder ein überragendes Konzert! Als wollten die Sänger mit all ihrer Stimmgewalt die Friedensbotschaft genau an diesem Tag auf der ganzen Welt verkünden!
Am Ende singen beide Chöre einige Stücke gemeinsam, wieder singen sie abwechselnd unter beiden Dirigenten. Harmonie im Gesang.
Zum Abschluss wird uns ein Abendessen im Gruppenraum serviert. Jetzt findet jeder etwas, was ihm schmeckt. Auch hier erweisen sich die Gastgeber wieder als äußerst zuvorkommend und um unser Wohl bemüht. Die Kinder des japanischen Chores haben für unsere Jungs Kraniche gefaltet. Nun, da wir wissen, was es damit auf sich hat, sind wir noch mehr gerührt über die Geschenke: Der Kranich steht für den Wunsch auf ein langes Leben, denn ein Mädchen hoffte nach der Katastrophe, durch das Falten von 1.000 Kranichen gesund zu werden. Es starb. Aber das Symbol ist geblieben für das ganze Land.
Im Regen treten wir den Heimweg an. Mit dem frühen Schlafen wird es nichts, aber der Erfolg lässt zumindest gut schlafen. Die Männer dürfen noch kurz mit der Planungsgruppe den Erfolg feiern, nachdem sie die jungen Sänger in die Betten begleitet haben. Auch das machen sie noch verantwortungsbewusst!