Chronik
Franz Herzog, Gründer und erster Leiter des Göttinger Knabenchores
Vortrag von Dr. Helma Götz vom 25. Mai 1997 anlässlich seines 80sten Geburtstages
Franz Herzog wurde am 30. Mai 1917 in Elsterberg (Vogtland) geboren. Er wuchs in einer einfachen, musikalisch sehr interessierten Weberfamilie auf. Schon früh erhielt er Geigenunterricht. Als Gesangssolist bei einem Weihnachtsgottesdienst fiel er durch seine schöne Knabenstimme auf. Durch Vermittlung des Pfarrers und des Kantors erhielt er als Elfjähriger einen Teilstipendiatsplatz an der Dresdner Kreuzschule. Als Mitglied des Kreuzchores bekam er eine intensive musikalische Ausbildung. Neben der Gesangsschulung erhielt er auch Instrumentalunterricht: Er lernte Klavier und Geige. Schon früh unternahm er eigene Kompositionsversuche, die vom damaligen Kreuzkantor Rudolf Mauersberger mit wohlwollender Kritik unterstützt wurden. Die frühen Werke Herzogs – vornehmlich Chorsätze – zeigen deutlich den Einfluss Mauersbergers, der auf Sangbarkeit und gute Klangwirkung größten Wert legte.
Mit dem Eintritt in die Obersekunda wurde Herzog das Amt eines Chorpräfekten übertragen. Neben der Verantwortung für die Jüngeren beinhaltete dieses Amt auch die Vertretung Mauersbergers in der Leitung kleinerer Konzerte. Schon 1934 leitete Herzog das Eröffnungskonzert des Kreuzchores bei der Saar-Ausstellung in Dresden. Bis zum Abitur (Ostern 1937) schlossen sich viele Dirigate von Vesper-Konzerten in der Kreuzkirche sowie der traditionellen Fastnachtskonzerte an. Bei diesen Auftritten des Chores konnte Herzog mehrfach auch eigene Werke aufführen. Den ersten größeren Erfolg als Komponist errang er am 9. Februar 1937 mit der Uraufführung der „Fünf Chorlieder nach Texten von Walter Flex“.
An die Schulzeit schloss sich ein Musikstudium am Dresdner Konservatorium an mit den Schwerpunkten Komposition und Dirigieren. Als drittes Instrument neben Geige und Klavier erlernte er das Posaunenspiel. Im Herbst 1939 legte Herzog die Kapellmeister-Prüfung ab. Bereits im Sommer schloss er die Ehe mit Ingetraut Schreiber. Bis 1944 wurden vier Kinder geboren, von denen eines als Säugling starb.
Nach dem Examen wurde Herzog zur Wehrmacht eingezogen. Während der Kriegsjahre entstanden etliche Kompositionen, neben Chorwerken auch Instrumentalmusik, u. a. eine „Konzertante Musik für Klavier und Orchester“ und mehrere Klaviersonaten. 1940 erhielt er für drei Chorsätze nach Texten von Brockmeier („Die Pflüger – Säerspruch – Zuversicht“) den dritten Preis bei einem Kompositionswettbewerb für Feierchöre.
Das Kriegsende erlebte Herzog als Gefangener im Lazarett von Peine. Als ihm zum 1. Dezember 1945 die Stelle eines Musik- und Sportlehrers am Ratsgymnasium Peine angeboten wurde, griff er zu und ließ sich für mehrere Jahre mit seiner in den Westen geflohenen Familie in der niedersächsischen Stadt nieder. Neben der Unterrichtstätigkeit übernahm er von 1947 bis 1955 die Leitung des Städtischen Chores Peine und wurde 1949 zusätzlich Dirigent des Orchesters der Braunschweigischen Musikgesellschaft. Dennoch waren die ersten Nachkriegsjahre von großen finanziellen Problemen geprägt.
Obwohl die ungewohnte Lehrtätigkeit seinem pädagogischen Talent durchaus entgegen kam, bemühte sich Herzog lange um eine Arbeitsmöglichkeit in seinem eigentlichen Beruf. Er zog sogar eine Emigration nach Schweden und in die USA in Betracht. Als sich die Aussichtslosigkeit dieser Bemühungen erwies, konzentrierte er sich auf eine bessere Fundierung seiner Lehrtätigkeit und unterzog sich zur Absicherung einer künftigen Schullaufbahn 1951 einer pädagogischen Sonderprüfung, mit deren Bestehen er als Musiklehrer anerkannt wurde.
1953 bewarb sich Herzog mit Erfolg um die Stelle eines Musiklehrers an der Oberschule für Jungen in Göttingen, dem späteren Felix-Klein-Gymnasium. Einen Schwerpunkt seiner schulischen Arbeit stellte der Aufbau eines Schulchores dar. Durch sein großes pädagogisches Gespür, geschickte Auswahl des Repertoires und wachsende Erfolge bei Schulaufführungen verstand er es, die Jungen für die Chorarbeit zu begeistern. In der Koordinierung der zeitaufwendigen klassenübergreifenden Chorproben wurde er von Direktor Deneke, später von dessen Nachfolgern, vorbildlich unterstützt. Die wachsende Bedeutung des Schulchores über den schulischen Rahmen hinaus zeigte sich in vielen außerschulischen Konzerten, in Rundfunkaufnahmen und Konzertreisen. Zunehmend wurden auch Jungen anderer Schulen in den Chor aufgenommen, So war es nur folgerichtig, den Schritt vom Schulchor zum Konzertchor zu vollziehen: 1962 wurde der „Göttinger Knabenchor“ gegründet, der sich bis in die 1970er Jahre auch überregional einen guten Ruf erwarb. Höhepunkt dieser Zeit war die Zusammenarbeit mit der Göttinger Händel-Gesellschaft: Von 1967 bis 1978 wurde der Knabenchor unter der Leitung von Günther Weißenborn als Oratorienchor bei den Göttinger Händelfestspielen eingesetzt.
Mit dem Eintritt in den Ruhestand 1979 zog sich Herzog schrittweise auch von der Chorleitung zurück.
Die schulische Beanspruchung und der Aufbau des Knabenchores ließen Herzog noch Zeit für andere Tätigkeiten: Von 1953 bis 1962 leitete er den Göttinger katholischen Männerchor „Cäcilia“. Auch als Komponist trat er weiterhin hervor. Viele seiner Werke entstanden natürlich für den Knabenchor – Liedsätze, Motetten, Messen bis hin zur Schuloper und dem ironisch-witzigen „Händel-Historical“, einem „Operatorium“, das im Rahmen der Händelfestspiele aufgeführt wurde. Herzog schrieb aber auch Stücke für Sologesang, für Kammerensembles und für Orchester. Stilistisch sind seine Werke nicht einheitlich: Neben sehr sangbarer, klanglich eingängiger Chorliteratur in gemäßigt moderner Harmonik und durchaus konventioneller Instrumentalmusik stehen sprödere Werke, z. B. die „Messe für Knabenchor, vier Trompeten und Kontrabass“, sowie zwölftönige Kompositionen wie die drei Lieder für Bass, Flöte, Violoncello und Klavier nach Texten aus „Fluch des Krieges“ von Li-Tai-Pe/Klabund.
Herzogs Arbeit fand Anerkennung über den schulischen Rahmen hinaus: 1957 wurde ihm die „Goldene Ehrennadel“ des Deutschen Allgemeinen Sängerbundes verliehen, I978 erhielt er die „Ehrenmedaille der Stadt Göttingen“.
Franz Herzog starb am 28. Februar 1986.
Vorgeschichte
Zu Ostern 1953 begann Franz Herzog – aus Peine kommend – seine Tätigkeit am Felix-Klein-Gymnasium als Musiklehrer, und diese auch sofort mit Chorarbeit. Die Schulchronik des FKG, das zu diesem Zeitpunkt ein reines Jungengymnasium war, vermerkt im Jahresbericht 1954/55: „Es besteht ein Schulchor unter der Leitung von Franz Herzog, und es gibt ebenfalls unter seiner Leitung drei Singkreise in den Klassen 5, 6 und 7“. Herzog wohnte zu Beginn seiner Tätigkeit in einem kleinen Lehrerzimmer im FKG direkt neben dem großen Musikraum im Turm, denn zu dieser Zeit war es noch extrem schwierig, in Göttingen eine Wohnung zu finden. Die Familie blieb daher zunächst in Peine.
Daneben führte Franz Herzog die musikalische Arbeit beim städtischen Chor in Peine fort, mit dem er u. a. am 20. November 1955 „Ein Deutsches Requiem“ von Brahms aufführte, zusammen mit dem Göttinger Symphonie Orchester (GSO). Außerdem übernahm er in Göttingen die Leitung des katholischen Männerchores „Cäcilia“ und betätigte sich am FKG auch als Leiter des Schulorchesters.
Am 27. Februar 1957 brachte Franz Herzog mit einer Uraufführung in der FKG-Aula seine „Palmström-Suite“ heraus und erfand damit eine neue Art der Schulmusik mit modernen Rhythmen wie bei Strawinsky und lateinamerikanischer Tanzmusik, für Chor „übersetzt“. Seine Sänger waren begeistert und viele von ihnen sind es bis zum heutigen Tag. Der „Palmström“ ist gewissermaßen die Gründungsmusik des Göttinger Knabenchores und muss deshalb bei jedem Jubiläum wiederholt werden. Aber schon 1957 reichte eine Aufführung nicht. Das Konzert wurde am 7. und am 13. März wiederholt. Alle Konzerte waren ausverkauft. Schon bei der Uraufführung wirkte Falk Zimmer als Pianist mit, ebenso wie bei fast allen weiteren Aufführungen in späteren Jahren, einschließlich der im Jubiläumsjahr 2012. Ende 1957 gestaltete Franz Herzog mit seinem Jungenchor in der Aula des FKG zum ersten Mal auch eine „Weihnachtliche Chormusik“, die später als Weihnachtsmusik des Göttinger Knabenchores immer mehr zu einer eigenen Chortradition ausgebaut wurde, inspiriert vom Geist der Weihnachtsmusiken des Dresdner Kreuzchores.
Im März 1958 gab es zwei weitere Aufführungen der Palmström-Suite und dazu Tonaufnahmen beim NDR. Auch 1959 wurde ein Teil der Palmström-Musik aufgeführt, jetzt im Rahmen einer Bundestagung der „Musikalischen Jugend Deutschlands“ in Hannover. Immer wieder gab es gemeinsame Konzerte des FKG-Schulchores mit der „Cäcilia“ in der Aula des FKG, in diesen Jahren eine fruchtbare Zusammenarbeit.
1962 fanden zwei letzte Auftritte als Schulchor des FKG statt mit einer geistlichen Abendmusik in der Christuskirche am 24. Mai und einem Schulkonzert in der Aula des FKG am 20. Juni, wiederum zusammen mit dem Männerchor „Cäcilia“, bevor dann am 20. September der erste Auftritt als „Göttinger Knabenchor“ – noch mit dem Untertitel „Chor des Felix-Klein-Gymnasiums“ – erfolgte.